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Wenn sich das süße Leben auf die Niere schlägt (Diabetes mellitus)
Diabetes bewirkt nicht nur die bekannte Überzuckerung des Blutes. Die Zuckerkrankheit kann auch in der Folge zu Nierenschädigungen führen, eine von vielen gefürchteten Spätfolgen des weit verbreiteten Leidens. Regelmäßige Kontrollen und eine optimale Stoffwechseleinstellung können diese Spätfolgen vermeiden oder zumindest hintanhalten helfen.
Oft dauert es lange, bis ein Diabetes überhaupt festgestellt wird, denn der Krankheitsverlauf ist schleichend. Müdigkeit, Abgeschlagenheit, Gewichtsveränderungen können erste Anzeichen sein, die den Hausarzt auf eine mögliche Zuckerkrankheit aufmerksam machen. Oder das Problem wird im Zuge eines Herzinfarkts – einer der möglichen Spätschäden – erst auf der Intensivstation frisch diagnostiziert.
Spät entdeckt, spät behandelt
Oft braucht es eine Vorlaufzeit von fünf bis zehn Jahren, bis eine Diabetes-Erkrankung erkannt wird – unterdessen verschlechtert sich der Kohlehydratstoffwechsel kontinuierlich. Dr. Josef Diglas, Leiter der Diabetesambulanz im Gesundheitszentrum Wien-Mariahilf der Wiener Gebietskrankenkasse (WGKK), beklagt neben der hohen Dunkelziffer auch, dass die Behandlung bei neu entdecktem Typ-2 Diabetes oft schleppend einsetzt: „Patienten mit erhöhtem Blutzucker wird neben einer eventuellen medikamentösen Behandlung oft nur geraten, weniger zu essen und etwas Bewegung zu machen. Eine strukturierte Anleitung und zielgerichtete Schulungen mit Überprüfung der Erfolge fehlen aber oft. Genau hier geht aber viel kostbare Zeit verloren“. Zeit, die unter anderem für die Nierentätigkeit der Betroffenen entscheidend sein kann.
Geschädigte Nieren
Bei rund einem Drittel der frisch diagnostizierten Diabetiker gibt es bereits Anzeichen einer Nierenschädigung, erkennbar an der Eiweißausscheidung im Urin, wie Dr. Diglas erklärt: „Diese so genannte positive Mikroalbuminurie kann eines der ersten Anzeichen sein, dass die Schiene zu Spätschäden gelegt ist.“ Schlechte Aussichten für die Filterorgane des Körpers – immer mehr Eiweiß wird durch den Harn verloren, die Filterleistung nimmt zunehmend ab, bis zum völligen Nierenversagen. Resultat: Dialyse. Zusätzlich steigt bei einer reduzierten Nierenfilterleistung unter der Hälfte der Norm auch das Risiko für Herz-Kreislauferkrankungen sprunghaft an, eine fatale Spirale.
Nierenschäden können zwar nicht vom Patienten selbst, aber vom Arzt rechtzeitig erkannt werden, davon ist Dr. Diglas überzeugt. Die gezielte Suche danach sei relativ einfach: „Genauso wie bei Diabetikern muss man sich auch bei Bluthochdruckpatienten systematisch die Nierengesundheit anschauen.“ Wichtigster Faktor zur Frühdiagnose sei der Harn, so der engagierte Diabetologe, und der sollte eben regelmäßig auf Eiweißkonzentration und so genannten Kreatininwert kontrolliert werden. Dr. Diglas: „Bei der Therapie einer diabetischen Nierenerkrankung sind neben entsprechenden Medikamenten und einer Optimierung der Diabeteseinstellung auch wichtig, die Blutdruck- und Blutfettwerte zu normalisieren, die Aufnahme von Kochsalz zu reduzieren, und den Eiweißkonsum zu reduzieren. Das Rauchen sollte eingestellt werden.“
Wohlstandskrankheit braucht Lebensstiländerung. Diabetes ist meist eine durch den Lebensstil mitverursachte Wohlstandskrankheit, von der derzeit rund 60.000 Wiener und Wienerinnen betroffen sind. Spätschäden sind nicht exakt vorhersehbar, das Risiko dafür kann allerdings vermindert werden. „Etwas schnell zu verbessern, ist schwierig. Aber genau das erwarten sich viele Betroffene, sie wollen nach fünf Minuten die Ambulanz quasi beschwerdefrei verlassen“, berichtet Dr. Diglas aus der täglichen Praxis. Doch die Stabilisierung des Stoffwechsels, auf die es langfristig ankommt, hängt wesentlich vom Lebensstil ab. Wer sich als Diabetiker gesund ernährt, sich ausreichend bewegt, nicht raucht und auf sein Körpergewicht achtet, hat einen großen Beitrag zur Vermeidung von Spätfolgen bereits getan. Von ärztlicher Seite wird Blutdruck, Zucker und Blutfettspiegel bei Bedarf zusätzlich medikamentös reguliert. Dann heißt es für den Patienten, liebgewonnene, aber schlechte Gewohnheiten, also „Sünden“, aufzugeben. Und zwar Schritt für Schritt, mit leicht erreichbaren Etappenzielen. Sportmuffel etwa beginnen mit einem täglichen, zügigen Spaziergang von rund 15 bis 20 Minuten. Zigaretten sind für Diabetiker ohnehin Gift: Allein das Rauchen kann bereits Diabetes auslösen. Eine erfolgreiche Ernährungsumstellung ist oft der schwierigste Teil im Umgang mit Diabetes.
Nicht gerade hilfreich ist da auch die in Österreich so verbreitete „Bisserl-Mentalität“ – ein bisserl Zucker, ein bisserl zu viel Körpergewicht, ein bisserl zu viel essen, ein bisserl zu hoher Blutdruck. Hier heißt es für den Experten, Überzeugungsarbeit zu leisten. Keine leichte Aufgabe, wie Dr. Diglas weiß: „Eine Superpille, einmal am Tag eingenommen und den Rest des Tages braucht man sich um die Krankheit nicht zu kümmern, die gibt es nicht. Zielgerichtete Therapie ist immer harte konsequente Arbeit, die viel Disziplin abverlangt. Sonst ist sie wirkungslos.“
Aktiv gegen die Krankheit
Eine besonders hohe Bereitschaft zur Mitarbeit der Patienten erfordert auch das neue Begleitprogramm für Diabetiker der WGKK, „Therapie Aktiv“. Dr. Diglas: „Der Patient ist sein eigener Zuckerbetreuer, beraten und geleitet durch seinen Zuckerarzt.“ Es gehe darum, den umfassend instruierten Diabetiker gut zu managen und zu lenken. Ziel sei ein aktives Leben für die Patienten, so Dr. Diglas, sie sollen ja Freude haben und sich wohl fühlen: “Es geht um Lebensqualität.“
Therapie Aktiv – Diabetes im Griff“
Typ-2-Diabetiker können in Wien seit knapp zwei Jahren kostenlos an einem Disease Management Programm (DMP) teilnehmen. Das Langzeitprogramm „Therapie Aktiv – Diabetes im Griff“, das von den Wiener Krankenversicherungsträgern in Zusammenarbeit mit der Stadt Wien angeboten wird, verfolgt das Ziel, den gefährlichen Folgeerkrankungen bei Diabetes entgegenzuwirken und die Lebensqualität Betroffener zu verbessern.
So funktioniert die Teilnahme:
• Patienten, bei denen Diabetes Typ 2 eindeutig diagnostiziert wurde, schreiben sich bei
• einem der rund 90 in Wien niedergelassenen „Therapie Aktiv“-Ärzte ins Programm ein.
• Die am Programm beteiligten Ärzte sind im Rahmen des Programms speziell fortgebildet
• und nehmen an regelmäßigen Qualitätszirkeln teil.
• Der Arzt führt eine Erstuntersuchung mithilfe eines standardisierten Fragebogens durch.
• Gemeinsam mit dem Patienten werden individuelle Ziele formuliert.
• In Schulungen und Informationsveranstaltungen erfährt der Patient von Ärzten und
• Diabetesberatern, was er konkret tun kann, um im Alltag mit seiner Erkrankung und ihren
• Folgeerscheinungen besser zurechtzukommen.
• Einmal pro Quartal unterzieht sich der Patient einer Untersuchung und Kontrolle durch
• den behandelnden Arzt.
• Der Arzt prüft das individuelle Risiko für mögliche Folgeerkrankungen, bei Bedarf überweist
• er den Patienten an einen Facharzt oder eine Ambulanz.
Informationen:
Internet: http://www.therapie-aktiv.at
Hotline: +01-60122 3800
Quelle:
PEOPLE-Magazin
Ausgabe 2/09
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