Krankenkassen verweigern ärztlich verordnete Therapien

24.06.2009 03:20
avatar  Eveline
#1
Ev
Administrator



PhysiotherapeutInnen und Hausärzte schlagen Alarm


Der Bundesverband der PhysiotherapeutInnen (Physio
Austria) und der Österreichische Hausärzteverband schlagen Alarm: Es
häufen sich die Fälle, in denen Kindern wie geriatrischen
PatientInnen notwendige und ärztlich verordnete Therapien von den
Krankenkassen verweigert werden.

Als Begründung für die Ablehnungen wird oft angeführt, dass keine
wesentliche Besserung oder Heilung durch die Therapie zu erwarten
sei. "Das ist nicht nur eine zynische Haltung gegenüber den
Versicherten", kritisiert Physio Austria-Präsidentin Silvia
Mériaux-Kratochvila, "sondern widerspricht auch den geltenden
gesetzlichen Grundlagen. PatientInnen haben auch ein Recht auf
medizinische/therapeutische Betreuung, wenn diese auf Erhaltung des
Gesundheitszustandes bzw. Vermeidung von Verschlechterungen abzielt."

Dieses Anrecht ist sowohl im Allg. Sozialversicherungsgesetz
(ASVG) verankert wie auch durch den Obersten Gerichtshof (OGH)
bestätigt. (ASVG §120 Abs1 Z1;ASVG § 133Abs.2; u.a. OGH10ObS224/02t
10ObS51/96 Rechtssatz: Eine notwendige Krankenbehandlung und damit
eine Krankheit in sozialversicherungsrechtlichem Sinn ist auch dann
anzunehmen, wenn die Behandlung geeignet erscheint, eine
Verschlechterung des Zustandsbildes hintanzuhalten (so schon 10 ObS
269/88 = SSV-NF 2/115 = SZ 61/226;).

Mériaux-Kratochvila schätzt, dass allein im Bereich der
Physiotherapie in den vergangenen zwölf Monaten Tausende bis
Zehntausende Therapien auf diese Weise verhindert wurden, wobei die
Bewilligungs- bzw. Verweigerungspraxis von Krankenkasse zu
Krankenkasse höchst unterschiedlich ist. Vor allem die
Gebietskrankenkassen üben sich in einem reflexartigen 'Nein' zu
Therapieverordnungen.

Eine abgeschwächte und subtile Form der restriktiven Vorgangsweise
der Krankenkassen ist die der Therapiekürzungen: Verordnete Therapien
werden zunächst in halbem Ausmaß bewilligt, Folgetherapien abgelehnt.

In beiden Fällen - Therapieverweigerungen wie -kürzungen - zeigt
sich in der Praxis, dass jene PatientInnen, die mit Hartnäckigkeit
und Geduld ablehnende Bescheide bekämpfen, zumeist doch die
ursprünglich verordnete Therapie in vollem Ausmaß erhalten.

Auf der Strecke bleiben jene, die aufgrund physischer, psychischer
und/oder sozialer Lebensumstände nicht in der Lage sind, einen Kampf
mit der Bürokratie der Krankenkassen aufzunehmen. - Das sind vor
allem Kinder und geriatrische PatientInnen.

"Insgesamt ist dieser Zustand nicht nur rechtlich mehr als
fragwürdig", resümiert Physio Austria-Präsidentin
Mériaux-Kratochvila, "sondern auch eines Gesundheitssystems unwürdig,
das gerne als 'eines der besten der Welt' bezeichnet wird".

Dass sich einige Krankenkassen den gesetzlichen Bestimmungen und
entsprechenden Urteilen zum Trotz weiterhin eifrig in
Therapieverweigerungen üben, ist auch für Dr. Rolf Jens,
Vizepräsident des ÖHV und Obmann der Sektion Ärzte für
Allgemeinmedizin in der Ärztekammer Wien, ebenso ärgerlich wie
unverständlich. "Achtzig Prozent der Pflegebedürftigen werden zu
Hause gepflegt. Eine kontinuierliche therapeutische Betreuung und
Anleitung der Angehörigen ermöglicht es, körperliche Grundfunktionen
der PatientInnen so zu erhalten, dass dies weiterhin möglich ist."
Werden die Therapien verwehrt, verschlechtert sich der Zustand der
PatientInnen meist schnell so markant, dass ihre Lebensqualität durch
den Verlust an Selbstständigkeit drastisch sinkt und in der Folge
eine häusliche Pflege nicht mehr möglich ist.

Was bei den HausärztInnen zusätzlich für Missstimmung sorgt, ist,
dass mit den Therapieverweigerungen de facto ihre Diagnosen und
Behandlungspläne regelmäßig von Beamten "overruled" werden, die in
den meisten Fällen die betroffenen PatientInnen nicht einmal durch
ein Guckloch gesehen haben. "Der Österreichische Hausärzteverband
sieht darin eine massive Ignoranz gegenüber der Kompetenz der
Ärzteschaft", so Jens.

Beide Berufsverbände haben nun in einem Schreiben den
Gesundheitsminister, sowie die Gesundheitslandesräte und
Patientenanwälte aufgefordert, die Patientenrechte entsprechend den
gesetzlichen Grundlagen zu wahren.

PatientInnen, denen verordnete Therapien verweigert werden, raten
ÖHV und Physio Austria folgende Vorgangsweise:


1. Anforderung einer schriftlichen Ablehnung der Therapie von der
1. jeweiligen Krankenkasse
2. Berufung gegen den Bescheid bei der Krankenkasse, sowie
2. Mitteilung (Kopie der Berufung) an den Gesundheitslandesrat und
2. die Patientenanwaltschaft, damit auch diese tätig werden kann.


Quelle:
OTS0095 2009-06-24/10:30


 Antworten

 Beitrag melden
Bereits Mitglied?
Jetzt anmelden!
Mitglied werden?
Jetzt registrieren!