Palliativversorgung und Schmerzbehandlung als Menschenrechte

08.05.2009 00:10
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Medizinische Innovationen verbessern die Schmerzbehandlung



Eine internationale, von zahlreichen Organisationen mitgetragene Deklaration fordert die Anerkennung von Palliativbetreuung und Schmerzbehandlung als fundamentale Menschenrechte. Denn die große Mehrheit der rund einer Million Menschen, die wöchentlich weltweit sterben, hat keinen Zugang zu einer Betreuung, die ein Sterben in Würde ermöglicht. Das berichtete Kongresspräsident Prof. Hans-Georg Kress beim Europäischen Palliativkongress, der derzeit in Wien stattfindet. Zum Menschenrecht auf Schmerzbehandlung gehört der Zugang zu wirksamen Therapien. Auf dem Kongress werden auch medizinische Innovationen in der Schmerzbehandlung präsentiert - insbesondere neue Behandlungsmöglichkeiten von Durchbruchschmerzen.

Trotz aller Fortschritte, die in der Palliativversorgung in den vergangenen Jahren zu verzeichnen waren, kann von einer ausreichenden Betreuung Sterbender und Leidender - vor allem auf internationaler Ebene - noch keine Rede sein. Ein wichtiger Diskussionspunkt auf dem Kongress ist daher auch die Deklaration für die Anerkennung von Palliativbetreuung und Schmerzbehandlung als Menschenrechte. Zu den wesentlichen Unterstützern gehören auf internationaler Ebene die International Association für Hospice and Palliative Care (IAHPC) und die Worldwide Palliative Care Alliance (WPCA), in Europa wird sie unter anderem von der EAPC und dem Dachverband der Schmerzgesellschaften EFIC unterstützt.

Die Forderung ist von großer Akutalität, so Prof. Kress: "Daten der WHO und des International Narcotic Control Board der UNO zufolge erhält nur eine kleine Minderheit der mehr als eine Million Menschen, die wöchentlich weltweit sterben, Palliativbetreuung, um ihr Leiden zu lindern. In den Entwicklungsländer, in denen 80 Prozent der Weltbevölkerung leben, werden nur sechs Prozent des weltweiten Morphinverbrauchs verzeichnet, einer wesentlichen Medikation in der Palliativ- und Schmerzbehandlung."

Die Deklaration fordert daher die Anerkennung von Palliativbetreuung und Schmerzbehandlung als fundamentale Menschenrechte, und fordert politische Entscheidungsträger auf, die Gesetzgebung entsprechend anzupassen. Eine besonders wichtige Forderung, so Prof. Kress: "Wir treten für einen besseren Zugang zu Opioiden und anderen Arzneimitteln ein, die in der Schmerzbehandlung und palliativen Symptomkontrolle wichtig sind. Hier geht es auch um besonders geeignete Verabreichungformen und um speziell für Kinder geeignete Medikationen."

Die Deklaration im Wortlaut sowie die Möglichkeit, sie zu unterschreiben, findet sich unter: http://www.hospicecare.com/resources/pain_pallcare_hr/

Neue Therapieoptionen bei Durchbruchschmerzen

Eine Reihe von therapeutischen Innovationen, die auf dem EAPC-Kongress vorgestellt werden, sollen die medizinische Versorgung von Palliativpatienten in Sachen Symptomkontrolle weiter verbessern.

Ein großes Problem bei Krebspatienten ist der so genannte Durchbruchschmerz: Das sind zusätzlich zum "Basisschmerz" auftretende sehr intensive Schmerzspitzen, die in der Regel nur eine halbe Stunde bis eine Stunden dauern und ihre höchste Intensität innerhalb von wenigen Minuten nach Ausbruch erreichen. Mehr als 85 Prozent von Krebspatienten leiden an dieser Form von Schmerzen, sie sind für betroffene Palliativpatienten enorm belastend und schon deshalb schwer kontrollierbar, weil die nicht vorhersehbaren Durchbruchschmerzattacken einen enorm raschen Wirkeintritt des Schmerzmittels erfordern, was viele Substanzen und Verabreichungsformen nicht leisten können. Der Wirkeintritt herkömmlicher oral verabreichter Opioide liegen etwa bei 35 bis 45 Minuten nach Einnahme - viel zu spät für den Durchbruchschmerz. "Gleich mehrere neue und effiziente Möglichkeiten zur Bekämpfung von Durchbruchschmerzen werden beim EAPC-Kongress präsentiert", berichtet Prof. Kress.

Rasche Schmerzlinderung durch die Nase

Zum Teil war an der Erforschung der neuen therapeutischen Optionen, die schon bald zugelassen werden sollen, die Wiener Universitätsklinik für Anästhesie intensiv beteiligt. So präsentiert Prof. Kress gemeinsam mit Kollegen aus sechs europäischen Ländern aktuelle, bisher unveröffentlichte Daten aus mehreren multizentrischen Studien, in der ein Fentanyl-Nasenspray hinsichtlich seiner Wirksamkeit und Verträglichkeit bei Krebspatienten mit Durchbruchschmerzen untersucht wurde. Die Verabreichung des Opioids Fentanyl über die Nase hat sich deshalb als gute Alternative zur oralen oder intravenösen Verabreichung erwiesen, weil die Substanz über die Schleimhäute besonders rasch aufgenommen werden kann und auch für Patienten mit Schluckbeschwerden, sehr trockenem Mund oder Übelkeit und Erbrechen gut geeignet ist. Einige zentrale Ergebnisse: Eine kurze Anlaufzeit - klinisch relevante Plasmaspiegel sind bereits zwei Minuten nach Verabreichung zu beobachten - machen die neue Therapieoption für Durchbruchschmerzen gut geeignet. Wirkstärken von 50, 100 und 200 Mikrogramm wurden untersucht. "Wir konnten einen sehr raschen Wirkeintritt beobachten, erste klinisch relevante Fentanyl-Plasmakonzentrationen wurden bereits zwei Minuten nach Verabreichung beobachtet, zehn Minuten nach Verwendung stellte sich bei den meisten Patienten bereits eine klinisch relevante Schmerzreduktion von mindestens zwei Punkten auf einer elfteiligen numerischen Schmerzskala ein. Damit erweist sich das Nasenspray als gute Lösung für Durchbruchschmerzen", so Prof. Kress. "In unseren Studien wurde es in allen Dosierungen von den Patienten gut vertragen."

Fentanyl-Schmelztabletten gegen Schmerzspitzen

Auch andere neue Galeniken für die Fentanyl-Verabreichung werden beim EAPC Kongress präsentiert. Zum einen ist dies eine neue, in den USA bereits zugelassene und in Europa bald verfügbare Buccaltablette, bei der ebenfalls ein rascher Wirkeintritt zu verzeichnen ist. Das Konzept der Fentanyl-Brausetablette: Sie wird zwischen Oberkiefer und Wange eingelegt, beim Auflösen wird Kohlendioxid frei, das die Absorption des Wirkstoffs weiter fördert. Prof. Kress: "Studien haben gezeigt, dass mit der Buccaltablette innerhalb von zehn bis 15 Minuten eine signifikant stärkere Schmerzreduktion zu erreichen ist als mit Plazebo."

Ähnliches gilt für eine neue Sublingualtablette, bei der mikronisiertes Fentanyl in feinsten Partikelgrößen bei Kontakt mit Speichel freigesetzt wird. "Auch hier zeigen Studien eine signifikante Schmerzreduktion innerhalb von zehn Minuten nach Einnahme," so Prof. Kress.

Kombinationsmedikament lindert Obstipation

Ein anderes bisher unzureichend gelöstes Problem in der Palliativmedizin: Opioide sind zwar potente Schmerzmittel, Nebenwirkungen wie Verstopfung können aber Patienten enorm belasten. Einer amerika- und europaweiten Umfrage zufolge leiden 81 Prozent der Patienten unter chronischer Opioidtherapie an Verstopfung. "Hier werden wir uns auf dem Kongress unter anderem mit einem neuen Oxicodon-Naloxon-Kombinationspräparat beschäftigen, das bereits im Darm Verstopfung verhindert." Eine Studie zeigte, dass unter dem Kombinationspräparat nur 31 Prozent zusätzlich ein Laxans benötigten, bei den nur mit Oxycodon behandelten Patienten war das bei 55,1 Prozent der Fall. Oxycodon ist ein starkes Opioid, Naloxon ein Opioid-Antagonist. Letzterer hat die Aufgabe, die Opioid-Rezeptoren in der Darmwand zu blockieren, sodass Oxycodon sich nicht an sie binden kann. Die analgetische Wirkung des Oxycodon wird nicht beeinträchtigt.

Cannabinoide mit Mehrfachnutzen in der Palliativmedizin

Ein wichtiges Thema wird in diesem Zusammenhang schließlich auch der Einsatz von Cannabinoiden in der Palliativmedizin sein. "Inzwischen gibt es immer mehr Daten die belegen, dass Cannabinoide als Coanalgetikum zweckmäßig sind, wenn andere Coanalgetika keine ausreichende Wirkung zeigten oder aufgrund ihres Nebenwirkungsprofils abgesetzt werden mussten", so Prof. Kress. "In der Palliativbetreuung sind Cannabinoide aber auch deshalb interessant, weil sie ein breites, über die Analgesie hinausgehendes Wirkprofil aufweisen." Im kommenden Jahr ist ein Fertigarzneimittel mit dem pflanzlichen THC Dronabinol zu erwarten, das werde den Einsatz gegenüber der derzeit erforderlichen Einzelanforderung in der Apotheke nochmals deutlich erleichtern.

Eine auf dem Kongress präsentierte Studie aus Klagenfurt untersuchte die Wirksamkeit von 2,5prozentigen Tropfen des Cannabinoids Dronabinol bei Übelkeit, Erbrechen und Appetitlosigkeit. Startdosis war zweimal täglich 2,5 Milligramm, bei unzureichender Symptomlinderung gesteigert auf fünf oder zehn Milligramm. Fazit der Untersuchung: Bei Übelkeit konnte eine leichte tendenzielle Verbesserung erzielt werden, bezüglich der Inzidenz Erbrechen eine signifikante Reduktion. Die Inzidenz von Appetitlosigkeit konnte ebenfalls deutlich reduziert werden. Nebenwirkungen wurden bei dieser Dosierung nicht beobachtet.


Quelle:
B&K Medien- und Kommunikationsberatung


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