Wiener Patientenentschädigungsfonds - neue Richtlinien

23.04.2009 21:18 (zuletzt bearbeitet: 23.04.2009 21:22)
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#1
Ev
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Beirat beschließt unter Vorsitz des Wiener Pflege- und
PatientInnenanwaltes neue Richtlinien



(24.04.2009, Rheuma-Selbst-Hilfe.at.com)

Nach dem Vorbild des Wiener Härtefonds ist seit 2001
im Bundeskrankenanstaltenrecht vorgesehen, dass in allen
Bundesländern ein Patientenentschädigungsfonds einzurichten ist. Aus
diesem Fonds, dessen Richtlinien im Detail vom jeweiligen Bundesland
festgelegt werden und der über einen, gemeinsam mit dem
Spitalskostenbeitrag eingehobenen PatientInnenbeitrag, finanziert
wird, kann in bestimmten Fällen eine Entschädigungszahlung geleistet
werden, wenn es durch eine Spitalsbehandlung zu einer Schädigung
kommt. Die Entschädigung aus dem Fonds gebührt jedoch nicht, wenn
eindeutig ein Verschulden, etwa ein ärztlicher Kunstfehler oder
falsche bzw. mangelhafte Pflege, zu einer Schädigung geführt hat,
sondern dann, wenn entweder schuldhaftes Verhalten nicht
ausgeschlossen werden kann oder seltene Komplikationen auftreten.
Dies erspart PatientInnen die oft sehr schwierige Beweisführung vor
Gericht, wo nur dann Schadenersatz zugesprochen werden kann, wenn ein
Verschulden nachweisbar ist.

Verbesserungen für PatientInnen

Im Laufe der Jahre haben sich einige Bestimmungen der
Richtlinien des Patientenentschädigungsfonds als
adaptierungsbedürftig erwiesen. Zum Teil handelt es sich dabei um die
formale Festschreibung bereits in der Praxis angewendeter
Verbesserungen, teils aber auch um echte Neuerungen. Im Zentrum der
Neuerungen steht die Anhebung der Höchstgrenze der Entschädigung für
besonders schwerwiegende Folgen einer Behandlung.

Folgende Verbesserungen wurden im April 2009 für die
PatientInnen vom Beirat des Patientenentschädigungsfonds beschlossen
und treten ab sofort in Kraft:

o Anhebung des Entschädigungsrahmens von bisher 70.000,-- auf
o 100.000,-- Euro (neu)

o Entschädigungen bei "seltenen" (statt bisher "sehr" seltenen)
o Komplikationen trotz erfolgter ärztlicher Aufklärung über die
o Komplikationsmöglichkeit (neu; beseitigt Interpretationsprobleme
o und erleichtert eine Entschädigung)

o Fortsetzungsmöglichkeit bezüglich einer Fondsentschädigung
o innerhalb eines Jahres nach Beendigung eines Gerichtsverfahrens
o (neu, um vor allem einer allfälligen zwischenzeitlichen
o Verjährung einer Entschädigung aus dem Fonds entgegen zu wirken)

o Eine Entschädigung wird grundsätzlich nur ein Mal gewährt

o Verlängerung der Frist für die Aufbewahrung der Unterlagen statt
o für 10 künftig für 30 Jahre (neu; PatientInnen benötigen
o manchmal Jahre nach einem Schadensfall noch Abschriften
o Unterlagen, z.B. für Pensionsansprüche etc.)

o Rückzahlung einer Fondentschädigung bis zur Höhe eines
o nachträglich doch noch zugesprochenen Schadenersatzes (bereits
o geübte Praxis, die nun auch formal festgeschrieben wird, um
o Zweifel zu beseitigen)

o Bestellung von Ersatzmitgliedern des Beirates (neu; soll die
o Beschlussfähigkeit des Beirates und damit die zügige Erledigung
o absichern)

o Verrechnung der Kostenbeiträge zum Patientenentschädigungsfonds
o auf einem gesonderten, verzinslichen Bankkonto statt im Budget
o der Stadt Wien (bereits seit Anfang 2008 geübte Praxis; es
o handelt sich um keine Budgetmittel, sondern um Patientenbeiträge)

o Ein jährlicher Bericht zum Patientenentschädigungsfonds wird im
o Rahmen des jährlichen Tätigkeitsberichtes der Wiener Pflege- und
o PatientInnenanwaltschaft erstattet (bereits geübte Praxis, ab
o 2008 auch über die Fondsgebarung)

Die neuen Richtlinien, die sich der Beirat des Wiener
Patientenentschädigungsfonds auferlegt hat, sind ab sofort auf der
Webseite http://www.patientenanwalt.wien.at veröffentlicht und können dort
jederzeit nachgelesen werden.

2008 erreicht die WPPA erstmals mehr als 3 Mio. Euro an
Entschädigungen für PatientInnen


Wenn man einen Schaden im Zuge einer Behandlung in Wien erlitten
hat, wendet man sich am besten direkt an die Wiener Pflege-,
Patientinnen- und Patientenanwaltschaft, die dann unabhängig und frei
von Weisungen prüft, ob eine Entschädigung oder ein Schadenersatz
möglich ist. Die PatientInnenanwaltschaft steht den PatientInnen aber
auch bei Schadensabwicklungen mit ÄrztInnen, der Versicherung oder
dem Rechtsträger eines Spitals mit Rat und Tat zur Seite.

2008 wurden von der Wiener PatientInnenanwaltschaft für 159
PatientInnen fast 1,1 Mio. Euro an Entschädigungen oder Abgeltungen
bei Versicherungen und Spitalsrechtsträgern oder bei der
Schiedsstelle der Ärztekammer für die PatientInnen ausverhandelt. Aus
dem Wiener Patientenentschädigungsfonds wurden darüber hinaus rund
1,7 Mio. Euro und aus dem Wiener Härtefonds, der neben medizinischen
auch soziale Gründe bei der Entschädigung berücksichtigt, weitere ca.
308.000,- Euro ausgezahlt. Insgesamt wurde damit im Jahr 2008
erstmals eine Entschädigungssumme von 3 Mio. Euro überschritten. "Man
kann davon ausgehen, dass in diesen Fällen den betroffenen Menschen,
bei denen eine Behandlung nicht nach Wunsch verlaufen ist, viel Geld,
Mühe und Nervenkraft gegenüber einem mit schwierigen Beweisführungen
und deshalb oft mit einem hohen Prozessrisiko verbundenen
Gerichtsverfahren erspart geblieben ist", gibt sich Brustbauer
überzeugt von der Wichtigkeit des Patientenentschädigungsfonds und
des Wiener Härtefonds.

Und noch einen positiven Effekt gibt es: Neben den so genannten
"Beinahefehlern", die im Rahmen des Risikomanagements im
Krankenanstaltenverbund und teilweise auch in anderen Spitälern
verarbeitet werden, werden auch nicht sicher erweisliche Fehler sowie
seltene Komplikationen vom Qualitätsmanagement erfasst. "Sowohl aus
tatsächlichen, möglichen oder beinahe passierten Fehlern soll man
lernen und Maßnahmen ergreifen, die zur Verhinderung von künftigen
Fehlern führen. Fehler können leider auch ÄrztInnen oder PflegerInnen
passieren. Nach einem Schaden, den ein Patient erlitten hat, kann man
aber nicht einfach zur Tagesordnung übergehen", mahnt Brustbauer die
laufende Weiterentwicklung der Fehlerkultur ein. Einen
Qualitätsverlust bei Behandlungen ortet Brustbauer trotz steigender
Entschädigungen nicht. Viel mehr steigt die Bereitschaft, auch dort
an Qualitätsverbesserungen zu arbeiten, wo ein Verschulden nicht
eindeutig nachweisbar, ein möglicher Fehler aber auch nicht ganz
auszuschließen ist. "Das ist bestimmt auch der Tätigkeit der Pflege-
und PatientInnenanwaltschaft zu verdanken.", schließt Brustbauer.


Quelle:
OTS0055 2009-04-24/09:37

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