Nierenspezialist fordert ein Umdenken bei Ernährung von Dialysepatienten

04.11.2009 02:26 (zuletzt bearbeitet: 04.11.2009 02:28)
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Ev
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Nierenspezialist fordert auf Fachtagung im schwäbischen Irsee Umdenken
bei Ernährung von Dialysepatienten



Alte Zöpfe abschneiden - "Verzicht-Diät" für Dialysepatienten nicht
mehr zeitgemäß


Menschen, die aufgrund eines chronischen Nierenversagens auf die
Dialyse angewiesen sind, leiden häufig an verschiedenen zusätzlichen
Erkrankungen, wie Diabetes, Herzinsuffizienz und Bluthochdruck. Das
Risiko, eine kardiovaskulären Komplikation, wie Herzinfarkt oder
Schlaganfall, zu erleiden ist bei Dialysepatienten gegenüber der
normalen Bevölkerung deutlich erhöht. So liegt dieses Risiko in der
Gruppe der 35 bis 44-Jährigen etwa 100-fach höher als in der
Allgemeinbevölkerung.

Einen wichtigen Faktor für die Entwicklung dieser Gefäßkomplikationen
stellt eine chronische Entzündung (Inflammation) dar. Bei Entstehung
und Behandlung der chronischen Inflammation spielt die Ernährung eine
besondere Rolle. "Eine klassische 'Verzicht-Diät' für Patienten, die
aufgrund eines Nierenversagens dauerhaft auf die Dialyse angewiesen
sind, ist nicht mehr zeitgemäß," sagte Prof. Dr. Martin Kuhlmann,
Vivantes Klinikum Berlin Friedrichshain, anlässlich einer Fachtagung
der Deutschen Gesellschaft für Ernährungsmedizin (DGEM) im
schwäbischen Irsee. Bislang wurde den Patienten häufig empfohlen, auf
Obst und Gemüse wegen des Kaliumgehaltes ganz zu verzichten und die
Eiweißzufuhr wegen der damit verbundenen Phosphatzufuhr zu reduzieren.
Mit diesen Empfehlungen kann es jedoch langfristig zur Entwicklung
einer Mangelernährung mit Verlust an Fett- und Muskelmasse kommen.

Mit der richtigen Ernährung kann sowohl einer Unterernährung
vorgebeugt, als auch die chronische Inflammation in Schranken gehalten
werden. Prof. Kuhlmann empfiehlt daher auch für Dialysepatienten eine
typisch mediterrane Kostform. Der einzige Unterschied zum
Nierengesunden besteht allerdings darin, dass die täglich zugeführte
Menge an Obst und Gemüse in Absprache mit dem behandelnden Arzt
festgelegt werden sollte, um eine exzessive Kaliumzufuhr zu vermeiden.
Darüber hinaus sollte die tägliche Kochsalzaufnahme sechs Gramm
möglichst nicht überschreiten, eine Empfehlung, die auch den
Richtlinien der WHO für Nierengesunde entspricht. Das bedeutet,
Dialysepatienten sollten hochwertige, frische Lebensmittel zu sich
nehmen, einschließlich einer definierten Menge frisches Obst und
Gemüse, wenig industriell aufgearbeitete und konservierte Produkte und
möglichst hochwertige, ungesättigte Fette. Da die Erkrankung für einen
erhöhten Kalorien- und Eiweißbedarf sorgt, ist eine ausreichende
Kalorien- und Eiweißzufuhr für Dialysepatienten von besonderer
Bedeutung. Im Gegensatz zu gesunden Menschen, für die eine tägliche
Kalorienzufuhr zwischen 20 - 25 Kilokalorien (kcal) pro Kilogramm
Körpergewicht und eine Eiweißzufuhr von 0.75 - 0.95 Gramm pro
Kilogramm Körpergewicht empfohlen wird, liegen die Richtwerte für
Dialysepatienten bei 30 bis 35 kcal und 1.0 - 1.2 Gramm Eiweiß pro
Kilogramm Körpergewicht. Des Weiteren ist eine ausreichende Versorgung
mit Vitamin C wünschenswert, da Vitamin C das Risiko einer chronischen
Entzündung mindern kann.

Metabolische Kaskade wird ausgelöst
"Speziell die Ernährung ist bei Dialysepatienten ein zentraler Punkt",
sagte Prof. Kuhlmann. Durch falsche Ernährung werde eine ganze Kaskade
von Nachfolgeerscheinungen ausgelöst. So steige das Risiko von
zusätzlichen Erkrankungen, chronischen Entzündungen, Bluthochdruck und
Herzerkrankungen. Bei unzureichender Eiweiß- und Kalorienzufuhr werde
der Körper geschwächt und schnell stellen sich Müdigkeit,
Abgeschlagenheit, Appetitverlust, Muskelabbau und Depressionen ein.
Der Appetitverlust sorgt dann zusätzlich für eine noch geringere
Energiezufuhr. Dementsprechend entwickelt sich eine Mangelernährung,
die den Teufelskreis in Gang hält. "Wichtig ist deshalb, bei jedem
Dialysepatienten den Ernährungszustand regelmäßig zu untersuchen und
bei einer Verschlechterung frühzeitig Gegenmaßnahmen zu ergreifen",
sagte Prof. Kuhlmann. Informationen zu Erhebungsbögen und anderen
Werkzeugen zur Feststellung einer Mangelernährung gibt es unter
http://www.dgem.de. Besteht bereits eine Mangelernährung, so sollte
versucht werden, diese zunächst mit der zusätzlichen Gabe von
hochkalorischer und eiweißreicher Trinknahrung aufzufangen.
In jedem Fall sollte eine professionelle Ernährungsberatung den Patienten
bei der Zusammenstellung seiner Ernährung unterstützen.

Transplantationsfähigkeit erhalten
Da viele Dialysepatienten auf die Transplantation eines neuen Organs
warten, ist ebenso die sogenannte Erhaltung der
Transplantationsfähigkeit wichtig. Bei Patienten mit einem schlechten
Ernährungsstatus, Mangelernährung und eventuell bereits vorhandenen
Mehrfahrerkrankungen steigt das Risiko, nicht transplantierfähig zu
sein immens. Speziell im Fall der Transplantation mit den
nachfolgenden medikamentösen Therapien zur Verhinderung einer
Organabstoßung, profitiert der Körper von einem guten
Ernährungsstatus.

Hintergrund:
Mangelernährung: ein unfreiwilliger, signifikanter Gewichtsverlust mit
Zeichen der Krankheitsaktivität. Weitere Informationen auch unter
http://www.dgem.de/leitlinien/I.A.pdf und
http://www.dgem.de/fragen/must.pdf


Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung
Deutsche Gesellschaft für Ernährungsmedizin e. V., Rita Wilp,
04.11.2009 11:26


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