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Fibromyalgie: Eine schmerzliche Erfahrung
Fibromyalgie: Eine schmerzliche Erfahrung
Eines haben Fibromyalgiepatienten mit Sicherheit gemeinsam: Sie sind im wahrsten Sinne des Wortes schmerzerfahren. Die chronische Erkrankung, die vorwiegend Muskeln, Sehnen und Bindegewebe, aber zum Teil auch Gelenke betrifft, war lange Zeit eine „große Unbekannte“: Viele Betroffene haben eine jahrelange Odyssee von Arzt zu Arzt hinter sich. PEOPLE sprach mit Dr. Johann Hitzelhammer, Leiter der Rheumaambulanz im Gesundheitszentrum Wien Mitte der Wiener Gebietskrankenkasse, über Behandlungskonzepte und Hilfe zur Selbsthilfe für Patienten.
Sie ist heimtückisch und verschlagen. Ihr Gesicht ist hinter einer Maske verborgen, ihre Identität ist schwer feststellbar. Sie schleicht sich an ihre Opfer an, verfolgt sie über Jahre und schlägt irgendwann mit voller Härte zu. Die Rede ist von Fibromyalgie, einer chronischen, nichtentzündlichen Schmerzerkrankung, die dem so genannten rheumatischen Formenkreis zugerechnet wird und den Bewegungsapparat betrifft. Der etwas sperrige Begriff leitet sich ab vom lateinischen „fibra“ (Faser), und den griechischen Begriffen „myos“ (Muskel) und „algos“ (Schmerz).
Die Hauptsymptome der wenig bekannten Erkrankung sind immer wiederkehrende Schmerzen in verschiedenen Körperregionen, besonders betroffen sind die Extremitäten, Rücken, Nacken und Brustkorb, nicht selten kommen Gelenkbeschwerden hinzu. Die meisten vom Fibromyalgiesyndrom (FMS) Betroffenen klagen über Müdigkeit und Phasen der Erschöpfung, aber auch Schlafstörungen. Die Begleitsymptome von FMS sind vielfältig: Herzrhythmusstörungen, Atemprobleme, Beklemmungsgefühle, Taubheitsgefühle, Krämpfe der Beinmuskulatur, Händezittern, Reizblase, Reizdarm, Menstruationsbeschwerden, Schluckbeschwerden, Tinnitus, Überempfindlichkeit der Haut und der Sinnesorgane und depressive Verstimmungen.
Schwierige Diagnose.
Besonders problematisch an der Krankheit, von der Expertenschätzungen zufolge rund zwei Prozent der Bevölkerung betroffen sind, zum weitaus größten Teil Frauen über 35: Sie wird häufig nicht gleich erkannt, denn der Beginn verläuft meist schleichend und unauffällig, mit eher unspezifischen Beschwerden kommt. Die meisten Betroffenen fühlen sich krank, abgeschlagen und antriebslos. Bis zu dem Zeitpunkt, ab dem die typischen Schmerzen auftreten, vergehen mitunter Jahre. Nicht selten berichten Patienten von zermürbenden Ärztemarathons, weil kein Experte ihre Krankheit erkannt hat. „Die meisten Patienten haben eine regelrechte Odyssee hinter sich“, sagt Dr. Johann Hitzelhammer, der Leiter der Rheumaambulanz im Gesundheitszentrum Wien Mitte der Wiener Gebietskrankenkasse (WGKK).
Selbst dann, wenn sich das von Schmerzen geprägte Vollbild der Erkrankung herausgebildet hat, sind Mediziner oft ratlos. Die Tatsache, dass FMS weder im Blutbild noch auf Röntgenbildern sichtbar ist, macht die Diagnose besonders schwierig. „Der Krankheitsverlauf ist außerdem bei jedem Patienten unterschiedlich. Bei manchen Betroffenen werden die Beschwerden chronisch, bei anderen nicht“, erklärt Dr. Hitzelhammer. „Besonders wichtig ist es, dem Patienten das Gefühl zu geben, ihn und seine Symptome ernst zu nehmen.“
Andere Erkrankungen mit ähnlichen Symptomen müssen zunächst ausgeschlossen werden, bevor letztendlich mit Hilfe spezieller Diagnoseverfahren FMS festgestellt werden kann. Angewendet werden hier die Klassifikationskriterien des American College of Rheumatology (ACR), die seit 1990 gelten: Der Patient hat Schmerzen in verschiedenen Körperregionen, sowohl in der rechten als auch in der linken Körperhälfte sowie im Ober- und Unterkörperbereich, die mindestens drei Monate anhalten. Außerdem sind – um eine Diagnose stellen zu können – elf von achtzehn definierten Druckpunkten auf Fingerdruck schmerzhaft, dabei sind vor allem Muskulatur, Sehnen und Sehnenansätze betroffen. Diese so genannten „tender points“ befinden sich an den Ansätzen der Nackenmuskeln am Hinterkopf, an bestimmten Querfortsätzen der Halswirbelsäule, an einigen Punkten im Bereich der Nacken- und der Schultermuskulatur, an der Knochen-Knorpel-Grenze der zweiten Rippe, am Ellenbogen, an bestimmten Punkten der Gesäßmuskulatur, an der Innenseite der Knie und an den inneren Fußknöcheln. Außerdem erfragen erfahrene Rheumatologen im Detail die Krankengeschichte.
Ursachen ungewiss.
Was Ursachen und Entstehung der tückischen Krankheit angeht, so tappt die Medizin nach wie vor weitgehend im Dunkeln. Hormone, erbliche Vorbelastung oder psychische Faktoren sind Möglichkeiten, die in der Forschung näher beleuchtet werden. Unter anderem ziehen Experten in Betracht, dass dem FMS eine Störung schmerzverarbeitender Systeme im zentralen Nervensystem zugrunde liegen könnte. Der körpereigne Botenstoff Serotonin etwa, der sowohl bei der Schmerz- als auch der Schlafregulation eine wesentliche Rolle spielt, könnte bei Fibromyalgiepatienten vermindert sein. „Mit Sicherheit lässt sich sagen, dass die Schmerzschwelle bei FMS-Patienten deutlich herabgesetzt ist. Sie nehmen Schmerzen früher wahr als andere“, erklärt Dr. Hitzelhammer. „Der Arzt sollte dem Patienten unbedingt vermitteln, dass die Krankheit keine bleibenden Schäden verursacht und nicht lebensbedrohlich ist, auch wenn sie mit Schmerzen und Erschöpfung verbunden ist.“
Moderne Behandlungskonzepte wirksam gegen die Beschwerden
Ist die Diagnose einmal klar, kann auch die entsprechende Therapie begonnen werden – denn es gibt durchaus wirksame Möglichkeiten. „Schmerzmittel wie die so genannten nichtsteroidale Antirheumatika oder NSAR helfen nicht, weil es sich bei der Fibromyalgie um keine entzündliche Erkrankung handelt. Auch mit Cortison kann man keine Erfolge erzielen“, so Dr. Hitzelhammer. „Besser wirken Antidepressiva, zum Beispiel Amytryptilin und Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmer.“
Auch nicht-medikamentöse Verfahren können die Beschwerden deutlich verbessern: Psychotherapeutische Maßnahmen, wie etwa Verhaltens- und Gesprächstherapien oder Methoden der Schmerzbewältigung sind wichtiger Teil moderner Behandlungskonzepte. „Autogenes Training oder Entspannungstechniken nach Jacobson sind empfehlenswert, auch Yoga oder Tai Chi helfen manchen Patienten dabei, mit ihrer Krankheit besser umzugehen,“ erklärt Dr. Hitzelhammer. Bewegung in kleinen Dosen, die langsam gesteigert werden können, sei ein weiterer wichtiger Faktor in der Therapie von FMS. „Betroffene sollten unbedingt lernen, die eigenen Grenzen wahrzunehmen, um Überforderungen zu vermeiden.“
Neue Schulung – Hilfe zur Selbsthilfe
Besonders zielen moderne Therapien darauf ab, dass Patienten lernen, Ängste abzubauen und letztendlich selbstbewusst und eigenverantwortlich mit der Krankheit umzugehen. Genau hier setzt die neue Patientenschulung an, die Dr. Hitzelhammer gemeinsam mit Dr. Waltraud Kellner, Ärztin für psychosomatische und psychotherapeutische Medizin, im Gesundheitszentrum Wien-Mitte seit September anbietet. Die Schulung im Ausmaß von insgesamt drei Stunden erstreckt sich über drei Wochen und wird jeweils für eine Gruppe von zehn Personen angeboten – in Deutschland hat man mit einem ähnlichen Programm sehr gute Erfahrungen gemacht. Dabei ist es Dr. Hitzelhammer besonders wichtig, dass „die Teilnehmer miteinander ins Gespräch kommen und ein Erfahrungsaustausch untereinander stattfindet.“
Hilfe für Rheumapatienten – die Rheuma-Ambulanzen der WGKK
• Gesundheitszentrum Wien Mitte: Strohgasse 28, 1030 Wien
Information und Anmeldung: (+43 1) 601 22-40328
• Gesundheitszentrum Wien-Mariahilf: Mariahilfer Straße 85-87, 1060 Wien
Information und Anmeldung: (+43 1) 601 22-40608
• Gesundheitszentrum Wien Süd: Wienerberger Straße 15-19, 1100 Wien
Information und Anmeldung: (+43 1) 601 22-4210
• Rheuma-Spezialambulanz im Hanusch-Krankenhaus: Heinrich-Collin-Straße 30
1140 Wien
Information und Anmeldung: (+43 1) 910 21-85730
Die Gesundheitszentren der WGKK bieten folgende Leistungen:
• Früherkennung
• Diagnose
• Gelenkspunktionen
• Infusions-, Injektions und Infiltrationstherapie
• Medikamentöse Therapie
• Physikalische Therapie
• Ernährungsberatung
Folder-Bestellservice:
Tel.: (+43 1) 601 22 – 2119
Fax: (+43 1) 601 22 – 2135
http://www.wgkk.at ==> Service ==> Bestellung von Informationsmaterial ==> Gesundheit und Vorsorge
Infopoint Rheuma
Die WGKK hat zusammen mit der Selbsthilfegruppe „Rheumahilfe Österreich“ den „Infopoint Rheuma“ ins Leben gerufen. Ein Rheumatologe, ein Psychologe und ein Vertreter der Selbsthilfegruppe beraten und informieren Betroffene und Interessierte zu folgenden Themen:
• Krankheitsursachen
• Diagnoseverfahren
• Therapieformen
• Ernährungsumstellung
• Soziale/psychische Probleme infolge der Krankheit
Infopoint Rheuma
WGKK-Kundencenter Leopoldstadt
Lassallestraße 9B
1020 Wien
Medizinischer Bereich
Ansprechperson: Christine Schnaubelt
Präsidentin der Rheumahilfe (+43 1) 315 23 45
Quelle:
PEOPLE, Menschen und Medizin
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