Dem Rätsel IgE auf der Spur

14.09.2009 02:59
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Ev
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Immunglobulin E, kurz IgE genannt, ist der Schurke im Drama Allergie.


Welche Rolle das Immunglobulin in der Immunabwehr spielt und warum es
immer häufiger aus dem Ruder läuft, untersucht Professor Dr. Gernot
Achatz, Fachbereich Molekulare Biologie der Universität Salzburg. Beim
2nd European Congress of Immunology ECI 2009 in Berlin präsentiert der
Wissenschaftler neue Daten zur Evolution der biologischen Funktion von
IgE.


Allergische Erkrankungen haben in den letzten Jahrzehnten dramatisch
zugenommen und stellen ein erhebliches gesundheitliches Problem dar,
von dem bis zu einem Drittel der Bevölkerung betroffen ist. Um
wirksame Behandlungsstrategien entwickeln zu können, muss die
biologische Funktion des Immunglobulins sowie seine Regulation genauer
in die Blick genommen werden.

IgE ist ein in der Evolution konserviertes Mitglied der
Immunglobulinfamilie. Immunglobuline sind die Antikörper des Menschen,
die bei der Immunabwehr eine wichtige Rolle spielen. Verglichen mit
allen anderen Immunglobulinklassen, die in Mikrogramm- bis Milligramm-
Konzentrationen pro Milliliter Blutplasma auftreten, liegt der IgE-
Spiegel im Blut gesunder Menschen wie auch bei Labormäusen deutlich
niedriger, im Nano- bis Mikrogrammbereich. IgE kommt vor allem in
Epithelien und Schleimhäuten vor, wo es an spezifische Rezeptoren auf
der Oberfläche hochpotenter Effektorzellen des Immunsystems gebunden
ist, so genannte eosinophile Granulozyten und Mastzellen. Gebunden an
diese Zellen hat IgE eine lange Halbwertszeit von Wochen bis Monaten,
während die Halbwertszeit freier IgE-Moleküle im Blutplasma lediglich
sechs Stunden beträgt. "Dies legt nahe, dass IgE eine Rolle in der
lokalen Immunabwehr spielt", so Achatz.

Die Kernfunktion von IgE ist bis heute unklar. Es muss jedoch eine
wichtige biologische Rolle spielen, weil es im Rahmen der Evolution
stabil blieb und bei allen Säugern zu finden ist. Seine Geschichte
datiert mindestens 160 Millionen Jahre zurück, wenn nicht sogar 300
Millionen Jahre. Damals entstanden im Rahmen einer Genduplikation des
Vorläufer-Immunglobulins IgY zwei verschiedene Immunglobuline mit
unterschiedlichen Eigenschaften: IgE und IgG. IgG repräsentierte
fortan die opsonisierenden Aktivitäten des IgY. Opsonisierung ist ein
Mechanismus des Immunsystems zur Kennzeichnung von Eindringlingen
(durch Antikörper und Komplementfaktoren), damit sie von Fresszellen
erkannt und vernichtet werden können. IgE war für die anaphylaktische
Reaktion zuständig, mit der die Immunabwehr, unter Umständen unter
Aufbietung des gesamten Organismus, auf einen fremden Reiz reagieren
kann. Aus evolutionärer Sicht scheint die anaphylaktische
Abwehrreaktion notwendig gewesen zu sein, wenn auch zu einem hohen
Preis für das Individuum. "Die Aufsplittung von anaphylaktischen und
opsonischen Aktivitäten erlaubte eine engere und spezifischere
Kontrolle beider Mechanismen.

Heutzutage ist IgE vor allem für seine starken, unerwünschten
Effektorfunktionen in Gestalt allergischer Reaktionen bekannt. Diese
reichen von lästigen Lokalsymptomen wie Heuschnupfen bis zum
lebensbedrohlichen anaphylaktischen Schock, was die potenzielle
Gefährlichkeit hoher systemischer IgE-Titer unterstreicht. Der Anstieg
allergischer Erkrankungen in den letzten Jahrzehnten stellt ein
ungelöstes medizinisches, immunologisches, genetisches und
evolutionäres Problem dar. Achatz vermutet dahinter ein Versagen von
Kontrollmechanismen, die in der Vergangenheit adäquat waren und im
Laufe der Evolution verfeinert wurden. Er selbst und auch andere haben
in den letzten Jahren verschiedene Mechanismen beschrieben, die eine
enge Kontrolle der IgE-Antwort durch B-Lymphozyten nahelegen. Die
weitere Aufklärung der Kontrolle und biologischen Funktion von IgE ist
Voraussetzung für die Entwicklung neuer therapeutischer Strategien.


EFIS (European Federation of Immunological Societies) ist der
Dachverband der nationalen immunologischen Fachgesellschaften in
Europa. Zu EFIS zählen 28 nationale Fachgesellschaften in 31
europäischen Ländern mit insgesamt 13.000 Mitgliedern. Gemeinsame
Plattform ist der European Congress of Immunology, der all drei Jahre
stattfindet - in diesem Jahr unter dem Motto: "Immunity for Life -
Immunology for Health" vom 13. bis 16. September in Berlin.


Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung
Deutsche Gesellschaft für Immunologie, Dr. Julia Rautenstrauch,
14.09.2009 14:21


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