Neue Erkenntnisse zur Prävention von Gefäßerkrankungen bei Diabetes Typ 2

03.09.2009 06:20 (zuletzt bearbeitet: 03.09.2009 06:21)
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Ev
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Herzinfarkt und Schlaganfall sind eine häufige Folge der
Stoffwechselerkrankung Diabetes mellitus. Eine blutgerinnungshemmende,
antithrombotische Therapie im Rahmen der Diabetes-Behandlung erscheint
somit sinnvoll.



"Neue Erkenntnisse lassen jedoch vermuten, dass
Patienten mit Typ-2-Diabetes ohne ein vorheriges Gefäßereignis wie
Herzinfarkt oder Schlaganfall von einer solchen Therapie insgesamt
nicht profitieren und auch Nachteile durch Nebenwirkungen wie zum
Beispiel Magen-Darmblutungen haben". Darauf weist Professor Dr. med.
Helmut Schatz, Bochum, Mediensprecher der Deutschen Gesellschaft für
Endokrinologie (DGE), hin.

Für die antithrombotische Therapie stehen mehrere Medikamente zur
Auswahl, insbesondere Acetylsalicylsäure (ASS). Bisherige
Untersuchungen zeigen, dass Aspirin die Anzahl von kardiovaskulären
Gefäßerkrankungen senken kann: In einer kürzlich durchgeführten Meta-
Analyse mehreren Studien, die 95 000 Menschen aus der
Allgemeinbevölkerung einschloss - veröffentlicht in der
Fachzeitschrift Lancet (2009; 373, 1849-60) - lag die Anzahl der
kardiovaskulären Ereignisse unter Einnahme von Aspirin um zwölf
Prozent niedriger als ohne. Dem stand jedoch eine signifikante Zunahme
an Blutungen insbesondere aus dem Magen-Darmtrakt gegenüber. Insgesamt
wurde ein "Netto-Nutzen" von Aspirin für die Allgemeinbevölkerung als
fraglich eingestuft.

In die gleiche Richtung weist auch die Studie "Aspirin for
Asymptomatic Atherosclerosis (AAA)", die Georg Fowkes, Edingburgh,
Ende August 2009 auf dem Europäischen Kardiologenkongress in Barcelona
vorstellte. Die Wissenschaftler untersuchten 29 000 schottische Frauen
und Männer auf Erkrankungen der Gefäße. Sie fanden 3350 Teilnehmer mit
Hinweisen auf eine beginnende, asymptomatische Atherosklerose, jedoch
ohne Herzinfarkt oder Schlaganfall. Die Hälfte der Teilnehmer erhielt
täglich 100 Milligramm Aspirin (ASS), die andere Hälfte ein Plazebo.
Im Schnitt wurden die Personen 8,2 Jahre lang beobachtet und
kardiovaskuläre Ereignisse erfasst. Ergebnis: Das Aspirin zeigte keine
erkennbaren Vorteile bezüglich Gefäßerkrankungen.

Menschen mit Diabetes sind Hochrisikopatienten für Herz-
Kreislauferkrankungen. Die Annahme war bisher, dass bei ihnen weniger
gefäßbedingte Erkrankungen durch die Einnahme von Aspirin auftreten.
Diese sogenannte "Primärprävention" wird deshalb von der
Amerikanischen Diabetesgesellschaft (ADA) empfohlen. Auch die
Praxisleitlinie der Deutschen Diabetes-Gesellschaft (DDG) vom Jahre
2008 führt Aspirin an.

Inzwischen mehren sich aber die Arbeiten, welche gegen den Einsatz von
Aspirin in der Primärprävention von Herz-Gefäßkomplikationen bei
Diabetespatienten sprechen. So zeigten sich in der japanische Studie
"Japanese Primary Prevention of Atherosclerosis with Aspirin for
Diabetes" (JPAD) - veröffentlicht in der Fachzeitschrift JAMA (2008;
300, 2134-41) - nicht die erwarteten Vorteile, wenn Typ-2-Diabetiker
Aspirin einnehmen.

Eine schwedische Arbeit fand sogar eine erhöhte Sterblichkeit von
Diabetespatienten ohne vorausgegangene kardiovaskuläre Ereignisse
unter Aspirin: "Aspirin increases mortality in diabetic patients
without cardiovascular disease: a Swedish record linkage study"
(Pharmacoepidemiol Drug Safety, Wiley, London, August 2009). Die
Mortalität stieg signifikant bei 50-Jährigen um 17 Prozent, bei
85-Jährigen um 29 Prozent. Günstig waren hingegen die Ergebnisse bei
der sogenannten Sekundärprävention: Hatten die Teilnehmer bereits
einen Herzinfarkt oder einen Schlaganfall, tendierte die Sterblichkeit
mit Einnahme von Aspirin zu niedrigeren Zahlen als ohne Aspirin. Die
Autoren dieser Studie, L. Welin et al., fordern, die Leitlinien zu
revidieren. Mit einer eventuellen Empfehlung von Aspirin zur
Primärprävention bei Diabetes solle abgewartet werden, bis die
Resultate größerer, randomisierter kontrollierter Studien vorliegen.

"Wir müssen also noch stärker als bisher abwägen, ob eine
antithrombotische Therapie mit Aspirin bei Diabetes sinnvoll ist oder
nicht, und auch die Nebenwirkungen wie Magen-Darmblutungen bedenken",
betont Professor Schatz. Zur primären Verhütung von Herzinfarkt und
Schlaganfall ist dies nach den jetzt vorliegenden, neuen Studien
offenbar nicht der Fall.

Eine Folge der Stoffwechselerkrankung Diabetes mellitus ist ein hohes
Risiko für Erkrankungen des Herz-Kreislaufsystems. Das Blut von
Diabetespatienten gerinnt schneller, da die Blutplättchen sich
leichter vernetzen. Die Folgen sind Verklumpungen beziehungsweise
Gerinnsel im Blut, sogenannte Thrombosen, welche die Herz- und
Hirngefäße verstopfen können. Diabetes mellitus gilt daher als
besonderer Risikofaktor für einen Herzinfarkt oder Schlaganfall. Mehr
als drei Viertel der Diabetiker versterben an Folgen von
Durchblutungsstörungen in diesen Gefäßen. Um die Gefahr zu senken,
empfehlen viele wissenschaftliche Gremien eine antithrombotische
Therapie, welche jedoch nicht generell, sondern individuell und
abgestimmt auf die Vorgeschichte des Patienten erfolgen sollte.


Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung
Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen
Fachgesellschaften, Medizin - Kommunikation, 03.09.2009 17:58


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