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Antidepressiva: Nutzen von SNRI belegt
Venlafaxin und Duloxetin lindern Beschwerden besser als ein
Scheinmedikament
Ob Patientinnen und Patienten mit Depressionen von Medikamenten aus
der Wirkstoffklasse der selektiven Serotonin-und Noradrenalin-
Wiederaufnahmehemmer (SNRI) profitieren, hat das Institut für Qualität
und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) im Auftrag des
Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) untersucht. In Deutschland sind
bisher zwei dieser Wirkstoffe als Antidepressiva zugelassen:
Venlafaxin und Duloxetin. Am 18. August 2009 hat das Institut seinen
Abschlussbericht vorgelegt. Demnach ist der Nutzen beider Wirkstoffe
gegenüber einem Scheinmedikament (Placebo) belegt: Die Patientinnen
und Patienten sprechen besser auf die Therapie an und leiden weniger
unter den Beschwerden ihrer Depression. Außerdem gibt es Hinweise,
dass beide Substanzen nicht nur die Symptome lindern, sondern auch vor
Rückfällen schützen.
Wechselspiel biologischer und psychosozialer Faktoren
Es gibt unterschiedliche Annahmen, wann und wie Depressionen
entstehen. Die möglichen Ursachen und Einflussfaktoren sind
vielfältig. Unbestritten ist, dass das sogenannte Vollbild einer
Depression aus einem komplexen Zusammenspiel biologischer und
psychosozialer Faktoren entsteht. Es gibt Hinweise, dass eine
veränderte oder verminderte Übertragung bestimmter Botenstoffe im
zentralen Nervensystem eine Rolle spielt. Hier setzen die meisten
medikamentösen Therapien an. Bei der vergleichsweise neuen
Wirkstoffklasse der SNRI sollen gleich zwei dieser Botenstoffe
(Neurotransmitter) beeinflusst werden: Sie hemmen die Wiederaufnahme
von Serotonin und Noradrenalin.
Hersteller stellen unveröffentlichte Daten zur Verfügung
Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler fanden insgesamt 80
klinische Studien, die sie in die Bewertung einbeziehen konnten. 16
verglichen Duloxetin (Hersteller: Lilly) mit einem Scheinmedikament
oder einem anderen Antidepressivum, 62 stellten Venlafaxin
(Hersteller: Wyeth) in derselben Weise auf den Prüfstand, zwei Studien
verglichen die beiden Wirkstoffe direkt miteinander. Die Hersteller
der beiden untersuchten Präparate (Lilly und Wyeth) stellten
umfangreiche bisher unveröffentlichte Daten zur Verfügung.
In diesen Studien wird der Effekt der Medikamente zumeist anhand von
Skalen gemessen, bei denen Patienten und/oder medizinisches Personal
die Veränderung der Symptomatik dokumentieren. Zielgrößen der
Nutzenbewertung des IQWiG waren neben der Veränderung von
depressionsbedingten Beschwerden und Begleitsymptomen wie Angst,
Schmerz oder Schlafstörungen, auch die Sterblichkeit, Suizidalität,
Lebensqualität, Umgang mit Alltagssituationen (soziales
Funktionsniveau) sowie unerwünschte Arzneimittelwirkungen.
Patienten sprechen auf beide Substanzen besser an als auf Placebo
Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler kommen dabei zu der
Schlussfolgerung, dass in der Akut-Therapie Patientinnen und Patienten
auf beide Wirkstoffe besser ansprechen als auf ein Scheinmedikament.
Die Beschwerden werden stärker gelindert und verschwinden bei einigen
sogar so weit, dass sie die Kriterien für die Diagnose "Depression"
nicht mehr erfüllen. Was die Prävention von Rückfällen betrifft, gibt
es zumindest einen Hinweis, dass Betroffene von Duloxetin und
Venlafaxin mehr profitieren als von einem Scheinmedikament. Im
Unterschied zu Duloxetin gibt es bei Venlafaxin auch Belege, dass das
Medikament wirkungsvoller vor dem erneuten Auftreten von Beschwerden
einer Depression schützt (Rezidivprophylaxe) als Placebo. Im direkten
Vergleich zwischen Venlafaxin und Duloxetin erweist sich kein
Medikament dem anderen überlegen in Hinblick auf die Linderung der
depressionsbedingten Beschwerden.
Betrachtet man die gesundheitsbezogene Lebensqualität, ist für
Duloxetin ein Vorteil im Vergleich zu Placebo nachgewiesen, für
Venlafaxin nicht. Werden die Substanzen direkt miteinander verglichen,
zeigt sich jedoch kein relevanter Unterschied. Im Vergleich zu einem
Scheinmedikament verbessern beide Wirkstoffe zudem die Fähigkeiten der
Patienten, den Alltag zu bewältigen (soziales Funktionsniveau).
Venlafaxin hat begrenzten Zusatznutzen gegenüber anderen
Antidepressiva
Im Vergleich mit einer anderen Substanzklasse von Antidepressiva, den
selektiven Serotonin-Wiederaufnahmehemmern (SSRI), zeigt Venlafaxin
einen Vorteil: Es lindert depressive Beschwerden besser als die
Vergleichsmedikamente. Dies gilt allerdings nicht für Duloxetin.
Bei Nebenwirkungen Unterschiede sichtbar
Die Untersuchung der unerwünschten Arzneimittelwirkungen ergab: Im
direkten Vergleich ist Venlafaxin Duloxetin überlegen, da weniger
Patienten die Therapie wegen Nebenwirkungen abbrachen. Beide
Substanzen schneiden hier aber schlechter ab als SSRI.
Wenig Einfluss auf begleitende Symptome der Depression
Hinsichtlich der Begleitsymptome der Depression, wie Angst, Schmerz
oder Schlafstörungen, zeigt sich in den eingeschlossenen Studien nur
ein relevanter Unterschied: In der Venlafaxin-Gruppe litten
Patientinnen und Patienten weniger unter Angstzuständen als in der
Placebo-Gruppe. Bei den anderen untersuchten Begleitsymptomen konnte
dagegen für keine der beiden Substanzen ein relevanter Effekt
festgestellt werden. Das gilt sowohl für den Vergleich mit einem
Scheinmedikament als auch für den Vergleich mit anderen
Antidepressiva.
Zum Ablauf der Berichtserstellung
Die vorläufigen Ergebnisse, den sogenannten Vorbericht, hatte das
IQWiG Anfang Dezember 2008 veröffentlicht und zur Diskussion gestellt.
Nach dem Ende des Stellungnahmeverfahrens wurde der Vorbericht
überarbeitet und als Abschlussbericht Ende Juni 2009 an den
Auftraggeber versandt. Eine Dokumentation der schriftlichen
Stellungnahmen sowie ein Protokoll der mündlichen Erörterung werden in
einem eigenen Dokument zeitgleich mit dem Abschlussbericht publiziert.
Der Bericht wurde gemeinsam mit externen Sachverständigen erstellt.
Dieser Vorbericht ist Teil eines Auftragspakets zu Antidepressiva:
In einem getrennten Bericht untersucht das IQWiG zudem die Wirkstoffe
Bupropion, Mirtazapin und Reboxetin.
Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung
Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen
(IQWiG), Dr. Anna-Sabine Ernst, 18.08.2009 11:27
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